Siezen mit Gefangenen

Als ich vor über 11 Jahren meine ehrenamtliche Arbeit begann und auch Einzelbetreuungen übernahm, wurde mir seitens meiner Leitung gesagt, ich soll doch die Häftlinge konsequent siezen. Damals verstand ich das nicht so recht, wollte ich doch so schnell wie möglich mit den Insassen der Anstalten in engen Kontakt kommen, ihnen meine Sympathie trotz Straftaten zeigen und auch mich selbst bei ihnen „sympathisch machen“. Eigentlich gelang mir das Siezen recht gut und erlaubte mir damit, Abstand zu halten. Mich nicht gemein zu machen mit Ihnen.

Zu einem späteren Zeitpunkt stellte ich aber fest, das es immer schwieriger wurde, diesen Abstand zu wahren. Die Gefangenen boten mir oft von sich aus das Du an – ich blieb aber beim Sie.

Die Schwierigkeit besteht für mich darin, die Distanz zu meinem Gegenüber zu wahren, obwohl sich die Distanz von einer, sagen wir immer bekannteren Person und dem damit verbundenen „Fremdstatus“ automatisch auf die Ebene eines Beziehungsstatus wechselte. Und das ist etwas, was sich nicht ändern lässt, denn die Einzelfallbetreuungen erstrecken sich oft (jedenfalls bei uns im Fürsorgeverein) auf einen mehrjährigen Zeitraum. Einem Zeitraum, in dem wir uns viel erzählen, auch wir mit unseren privaten Dingen zum Gegenüber. Dadurch wird es immer schwerer, beim Sie zu bleiben.

Und doch, ich bleibe beim Sie für die Dauer des Aufenthalts des Gefangenen, zumindest in der JVA. Wir müssen immer damit rechnen, dass das „Du-Verhältnis“ genutzt wird (ausgenutzt); das nach Möglichkeiten der Manipulation gesucht wird und wir uns dann gebraucht fühlen. Diese Tatsache allein, dürfen wir sicher wertungsfrei halten; verhalten sich Menschen doch auch „draußen“ ähnlich. Und zwar, um sich besser zu fühlen, sich durchzusetzen und ä.m. Ich finde es letztlich aber leichter, das Sie aufrecht zu erhalten, damit wir uns besser abgrenzen können und stets gewährleisten können, ein „Nein“ zu formulieren.

Ich denke diese Überlegungen schaden nicht dem Respekt, mit dem wir Gefangenen entgegen treten und die wir auch selbst im höflichen Umgang erwarten dürfen.

Diskutiert

Herzlich Euer Kollege

Peter Ehrhardt

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