„Bums, Tür zu. Das ist alles Wahnsinn!“

Ein Interview: Mit einem ehemaligen Bewohner des Wohnhauses in der Max-Brauer-Allee 138 – Geführt von unserer Praktikantin Charlotte.

Also, ich kam in Haft als es gerade mit einer neuen Corona Welle losging. Daher kam ich in der UHA in Zwangsquarantäne. Und in dieser Zelle saß ich 2 Wochen.
Ich saß alleine in einer alten, kalten und zugigen Zelle, hatte kaum Kleidung und habe mir echt den Arsch abgefroren.
Jedes Mal, wenn ich darum gebeten habe duschen zu dürfen, wurde mir die Tür vor der Nase zugeknallt – mit den Worten: „Heute nicht!“ Dann habe ich gedacht „na super, die Hygienemaßnahmen sind einfach unter aller Kanone. Angst haben vor Corona, was nur von Mensch zu Mensch übertragen werden kann, obwohl die Wahrscheinlichkeit, dass ich mich in einer Einzelzelle bei jemand anderem anstecke doch geringer ist, als dass ich hier durch die Kälte eine Lungenentzündung bekomme oder grundsätzlich krank werde, weil ich nicht die Chance habe, duschen zu können.“ Ich habe erst später erfahren, dass es zu diesem Zeitpunkt einen festen Duschtag in der Woche gab, weil die der Meinung waren, es wären zu viele Leute auf einer Station, hat man quasi „Corona-Dusch-Tage“ eingeteilt. Die Inhaftierten wurden einzeln aus ihrer Zelle in den Duschraum begleitet und mindestens ein Wärter musste vor der Duschkabine warten, bis die inhaftierte Person wieder rauskommt und zurück in die Zelle gebracht wird. Dieser feste Duschtag war ausgerechnet einen Tag bevor ich inhaftiert wurde.
Das heißt, ich konnte eine Woche lang nicht duschen.
Es gab natürlich nur kaltes Wasser in der Zelle – in diesem kleinen Waschbecken. Ich habe mir eine Schale genommen, wo man morgens seinen Tee reinbekommt. Die habe ich mir über Nacht auf die Heizung gestellt, damit ich am nächsten Morgen warmes Wasser zum Waschen hatte. So viel zu dem Thema „wie warm war es in der Zelle“ – arschkalt. Und ich musste dreimal darum bitten, dass ich ein T-Shirt bekomme.

Charlotte: Was hattest du denn an Kleidung an?

Ich hatte eine Hose an – eine Unterhose und einen Mantel. Den konnte ich mir zum Glück noch überwerfen als ich festgenommen wurde. Ich wurde behandelt wie ein Schwerverbrecher, obwohl es bei mir ja wirklich um Pillepalle geht – Schwarzfahren.

Und das ist ja noch nicht alles. Ich hatte Kopfschmerzen, weil man mir bei der Festnahme aufs Maul gehauen hat, weil ich mich gewährt habe. Ich hatte ein richtig dickes blaues Auge, ich habe Blut geschmeckt. Ich hatte eine blutige Lippe, oder Nase? Ich weiß es nicht mehr. Zumindest habe ich Blut geschmeckt. Die Chance in den Spiegel zu gucken gab es nicht. Dann wollte ich einen Arzt sprechen. Diese Möglichkeit habe ich erst am nächsten Tag erhalten. Der hat mir einfach eine Kopfschmerztablette gegeben. Dann habe ich explizit darum gebeten, – ich war in der Woche zuvor im UKE zwecks eines HIV-Tests – dass aus der Haft heraus das Ergebnis abgerufen wird. Das haben die erstmal fast ignoriert, dann hieß es „ja machen wir irgendwie“. Dann kam irgendein falsches Dokument, irgendwas von vor 5 Jahren, was sie da abgerufen bekommen haben. Ich sagte „Es geht hier um HIV und ich möchte das Testergebnis haben! Das kann doch nicht so schwer sein.“ Dann hieß es wieder „Nee, das machen wir nicht“. Von da an war für mich das Kapitel zu Ende.

Ich habe beschlossen, ab jetzt zu niemandem mehr nett und auch nicht mehr freundlich zu sein. Ich werde nichts mehr erbitten und erfragen, weil das eh keinen Sinn macht. Deshalb habe ich mich so aufgeregt als dieser Politiker sich hingestellt hat und davon erzählte, wie toll es doch ist, dass es im Gefängnis keine Corona-Toten gab. Ja, aber im Gefängnis ist die Wahrscheinlichkeit sich anzustecken noch geringer als im Supermarkt, im Bus, beim Arzt, oder überhaupt in den eigenen vier Wänden. Und mich dann in so eine scheiß Quarantäne zu stecken, wobei man sowieso in Haft isoliert ist von der Außenwelt. In einem Gefängnis, wo du sowieso von deiner Station aus nur mit einer Handvoll Leuten in Kontakt bist, ist Quatsch. Die beiden Wochen war ich im Kompletteinschluss. Es gab eine Stunde Freigang, da musste man aber die Maske tragen.
Das wusste ich nicht, hat mir auch keiner gesagt und bin natürlich ohne Maske raus – es war ja unter freiem Himmel, da wurde ich angebrüllt von einem Wärter.

Charlotte: Versuch mal in drei Sätzen knapp zusammenzufassen was du erlebt hast – unter der Überschrift Hygienemaßnahmen.

Also das Thema Corona und Hygienemaßnahmen im Gefängnis finde ich fragwürdig, da mein Ergebnis vom HIV-Test aus dem UKE nicht abgerufen wurde. Es wurde auch nicht drauf eingegangen, dass ein falsches Testergebnis gesendet wurde. Man hat mir nur die allernötigste Kleidung ausgehändigt, es war eine kalte, zugige Zelle, in der die Heizung kaum funktioniert hat. Und zudem: Einmal in der Woche duschen zu dürfen, würde ich nicht als besonders hygienisch bezeichnen.

Zum Glück saß ich selbst mal drinnen, um das zu erfahren. Hätte mir das jemand anderes erzählt, hätte ich es nicht geglaubt und egal wem ich das erzähle, es glaubt mir ja kaum einer.

Charlotte: Wie hast du dich beschäftigt während deiner Haftzeit?

Wir hatten zum Glück ein Radio, das stand einem jeden zu, aber auch nur in dieser Corona Zelle. Damit du wenigstens ein wenig Bezug zur Außenwelt hattest. Später, als ich dann verlegt wurde, nach Fuhlsbüttel, stand mir das Radio natürlich wieder nicht zu. Was ich auch fragwürdig finde. Da musste man das beantragen und Geld dafür bezahlen.

Verlegung. Auch ein tolles Wort. Das ist wie ein Tier auf der Schlachtbank. Die Verlegung hat dafür gesorgt, dass ich wochenlang kein Geld hatte. Das Taschengeld, welches man pro Tag gutgeschrieben bekommt, muss bei einer Verlegung erst wieder beantragt werden wird dann übertragen. Da das so lange gedauert hat, hatte ich 6 Wochen lang kein Geld als ich in Fuhlsbüttel ankam. Für die letzten zwei Wochen meiner Haftzeit durfte ich mir dann ein Radio buchen, welches aufgrund der Feiertage (Weihnachten und Neujahr) allerdings nicht rechtzeitig ankam.

Alternativ habe ich Bücher gelesen. Natürlich uralte, ausrangierte, teilweise zerpflückte und kaputte Bücher aus der Bibliothek. Da hinten war auch immer ein Stempel drin, der bestätigte, dass es sich um ein ausrangiertes Buch handelt. Dann fehlt auch mal ein Kapitel. Meistens das erste oder das letzte. Daher habe ich mir aufgeschrieben welche Bücher ich mir noch im Nachhinein leihen muss, um die Bücher zu Ende zu lesen. Meine Stationsleitung war so cool und meinte er hätte alte Zeitungen und ob ich die lesen will. Ich wäre wahrscheinlich der einzige auf der Station der überhaupt liest.

Und ich habe ganz viel geschrieben während meiner Haft. Tagebuch. Ich habe aufgeschrieben, welche Abwertenden und diskriminierenden Aussagen die Wärter mir gegenüber gemacht haben. Beispielsweise hat einer mal zu mir gesagt: „Mit sowas wie dir unterhalten wir uns gar nicht erst“.

Wo ich mir dachte „warum das? Weil ich nicht in euer Bild passe? Weil ich im Gefängnis sitze und ihr die Wärter seid? Oder weil ich blau gefärbte Haare wegen Karneval habe oder warum?

Also das war echt alles schon krank. Dieses System, die Wärter und das alles. Die Ausdrücke und allein die Tatsache, dass ich frage, ob ich duschen darf „nein heute nicht!“ „Bums, Tür zu. Das ist alles Wahnsinn!“

Vor allem habe ich ja nur wegen Pillepalle gesessen. Schwarzfahren und Besitz von MDMA. Selbst die Ärztin hat mich angeguckt und meinte „Deswegen sitzen Sie?“ Und der Besitz von MDMA war nicht kiloweise, sondern es war ein kleines Päckchen. Das habe ich auf einer Party zugesteckt bekommen, ins Portemonnaie getan und vergessen. Ich bin damit wochenlang durch Hamburg geeiert. Ich bin damit nach Bayern gefahren und wieder zurück und erst auf der Rückfahrt von Bayern nach Berlin wurde ich damit hochgenommen bei einer Pauschalkontrolle einfach mal im Flixbus. Da denk ich doch nicht dran, dass sowas passiert und schon gar nicht daran, dass ich Drogen vergessen habe, die in meinem Portemonnaie liegen.

Also die Taten wurden zusammengefasst und zu einem Tagessatz von 50,00€. Ich habe erst später erfahren, dass das ein ziemlich hoher Tagessatz ist. Hängt aber auch damit zusammen, dass ich zum Zeitpunkt der Straftat und des Urteils ein gutes Gehalt als Friseurmeister bekommen habe. Daran wurde bemessen, dass ich eine höhere Strafe in kürzerer Zeit abzahlen, beziehungsweise absitzen, könnte. Dadurch, dass ich aber dann meinen Job und die Wohnung verloren habe und in der folgenden Zeit häufiger umgezogen bin, sind viele Schreiben bezüglich der zu zahlenden Geldstrafe gar nicht bei mir eingegangen. Deshalb wurde ich dann direkt verhaftet, als sie meine aktuelle Postadresse bekommen haben.
Das war eine Verstrickung von mehreren Zufällen und im Gefängnis wurde ich behandelt wie der letzte Müll.
Und dann frage ich mich wie wird jemand behandelt, der richtig was verbrochen hat? Oder werden erstmal pauschal alle gleich scheiße behandelt? Oder gibt es da sogar noch Kategorien, das ich bevorzugt nicht ganz scheiße behandelt wurde? Wobei ich tatsächlich glaube in der UHA werden alle gleich scheiße behandelt, in Fuhlsbüttel waren sie netter. Und auch als ich in Fuhlsbüttel gefragt wurde, wo ich vorher war meinten sie „ja die Kollegen da sind nochmal ganz anders.“

Die sind herzlos und kalt. Wie Menschen, die wahrscheinlich auf dem Schlachthof arbeiten.

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